Novellierung der EU-Kommunal­abwasser­richtlinie: Erweiterung der Hersteller­verantwortung zur Finanzierung einer vierten Reinigungsstufe des kommunalen Abwassers

Rechtsanwältin
Annika Levy
levy@kopp-assenmacher.de

Im Februar 2024 einigten sich die EU-Gesetzgeber im Trilog-Verfahren über die Überarbeitung der bestehenden EG-Richtlinie 91/271/EWG zur Behandlung von kommunalem Abwasser. Die Einigung muss jetzt noch formell vom Europäischen Parlament und dem Rat der EU verabschiedet werden. Mit der Nouvelle kommen große Veränderungen auf die kommunalen Betreiber von Kläranlagen zu.

Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und damit das Inkrafttreten der EU-Kommunalabwasserrichtlinie (EU-KommAbwRL/KARL) steht unmittelbar bevor. Danach haben die Mitgliedsstaaten der EU zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umsetzen, damit diese für die Unternehmen in Deutschland rechtsverbindlich werden. 

Das Ziel der Richtlinie ist, die Qualität des Abwassers zu verbessern und die Gewässerbelastung durch Mikroschadstoffe wie Arzneimittel- und Kosmetikrückstände zu verringern. Hintergrund ist ein steigender Arzneimittelverbrauch und der fortschreitende demografische Wandel. Beides führt zu einem steigenden Schadstoffeintrag in Gewässer. Um dieser schädlichen Wirkung auf die aquatische Umwelt und perspektivisch auf die Trinkwasserqualität entgegenzuwirken, führt die EU eine vierte Reinigungsstufe ein. Die vierte Reinigungsstufe stellt neben den üblichen drei Behandlungsstufen (mechanisch, biologisch, chemisch) eine weitergehende Behandlungsstufe zur Eliminierung von Mikroschadstoffen dar. 

Die Kosten für den Ausbau und Betrieb der zusätzlichen Reinigungsstufen werden allein in Deutschland bis 2045 mit knapp 9 Mrd. Euro beziffert. Wobei durch den stufenweisen Ausbau nicht alle Kosten sofort anfallen. Bis zum Ende des Umsetzungszeitraums wird ein jährliches Volumen von bis zu 860 Mio. Euro erwartet. Die Richtlinie sieht vor, die Finanzierung in erster Linie durch die Erweiterung der Herstellerverantwortung sicherzustellen. Das heißt, Hersteller von Humanarzneimitteln oder Kosmetika sollen an den Kosten der Abwasserbehandlung zu 80 % beteiligt werden, die durch ihre Produkte entstehen. Weitere Kosten kommen für die ebenfalls in der Richtlinie vorgesehene Abwasser-Überwachungsmaßnahmen und für die Erhebung und Überprüfung von Daten über in Verkehr gebrachte Arzneimittel hinzu.

Es soll ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, bereits in der Produktion den Einsatz problematischer Substanzen zu reduzieren oder alternative, umweltfreundlichere Inhaltsstoffe zu entwickeln.

Allerdings soll, anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen, die erweiterte Herstellerverantwortung zu 20 % durch eine nationale Finanzierung ergänzt werden. So sollen unbeabsichtigte Folgen für die Verfügbarkeit von Arzneimitteln vermieden werden. Nach Art. 9 Abs. 1 des Richtlinien-Vorschlags soll die erweiterte Herstellerverantwortung drei Jahre nach In-Kraft-Treten der Richtlinie wirksam werden. Noch unklar ist, wie der deutsche Gesetzgeber das Modell der Kostenbeteiligung ausgestalten wird. Hier kommt es darauf an, Lösungen zu entwickeln, die nicht nur Europarecht, sondern auch dem deutschen Finanzverfassungsrecht entsprechen.

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