Rechtsanwalt
Alexander Ionis
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Das Kreislaufwirtschaftsrecht bleibt in Bewegung. Nach dem EU Green Deal und dem daraus gewachsenen, kurz vor dem Abschluss stehenden Gesetzgebungsverfahren zur EU-Verpackungsverordnung zeichnen sich auf europäischer und nationaler Ebene neue Initiativen zur Vertiefung des Kreislaufwirtschaftsrechts ab.
Im Juli 2024 kündigte Ursula von der Leyen in ihrer Bewerbung für die Präsidentschaft der Europäischen Kommission als Teil eines „EU Clean Industrial Deal“ ein neues europäisches Kreislaufwirtschaftsgesetz an. Möglich erscheint eine teilweise oder sogar vollständige Novellierung der schon seit Jahren wiederholt angepassten EU-Abfallrahmenrichtlinie. In jedem Fall ist eine weitere Vertiefung des Kreislaufwirtschaftsgedankens zu erwarten.
Zuvor hatte bereits im Juni 2024 das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz seinen Entwurf einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgestellt und den Verbänden zur Anhörung vorgelegt. Deren Rückmeldungen werden nun geprüft und ggf. in die finale Fassung einfließen.
Der Entwurf der Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie soll neben einer ökologischen Kreislaufführung von Rohstoffen (Lagerstätten- und Klimaschutz) auch eine höhere Unabhängigkeit von Rohstoffimporten zum Schutz der Wirtschaft erreichen. Dafür zielt der Entwurf auf einen Mix aus Anreizen, Förder- und Ordnungsrecht. Klar ist: In Zukunft wird es für die erfolgreiche Etablierung einer Circular Economy und für Unternehmen noch stärker darauf ankommen, vom Produktdesign über die gesamte Nutzungs- und Verwertungskette die Kreislauffähigkeit von Stoffen zu steigern.
Anreize
Zur Aktivierung von privatem Kapital für Investitionen in die Kreislaufwirtschaft will der Entwurf u.a. auf die bereits geltende EU-Taxonomieverordnung setzen, etwa im Einsatzbereich von Baugewerbe und Immobilien: „In diesem Kontext strebt die Bundesregierung eine Erweiterung und Validierung der DIN/TS 51012:2020-04 an.“
Zur besseren Lenkung öffentlicher Gelder soll das Vergaberecht überarbeitet und die öffentliche Beschaffung als Hebel genutzt werden. Konkrete Überlegungen zielen auf den Erlass einer „AVV Umwelt“ als neue Verwaltungsvorschrift des Bundes zur Beschaffung klima- und umweltschonender Leistungen. Bei Ausschreibungen für Bauprojekte soll noch stärker die Langlebigkeit, Weiter- und Umnutzbarkeit berücksichtigt sowie der Ausschluss von Sekundärrohstoffen verboten werden.
Förderrecht
In Teil 4. des Entwurfs gehen die Vorschläge auf die einzelnen Wirtschaftsbranchen ein, insbesondere „Fahrzeuge und Batterien, Mobilität“, „IKT und Elektrogeräte“, „Erneuerbare-Energien-Anlagen“, „Bekleidung und Textilien“, „Bau- und Gebäudebereich“, „Metalle“ und „Kunststoffe“. Es empfiehlt sich die unternehmensspezifische Durchsicht der jeweiligen Maßnahmenbündel, vor allem, soweit diese Hinweise auf zukünftige Förderprogramme oder neues Ordnungsrecht enthalten. Der Entwurf kündigt zahlreiche neue Förderprogramme an, die mit öffentlichem Geld die Transformation hin zu einer vertieften Kreislaufwirtschaft erleichtern sollen. Wie stark dieser finanziell unterlegte Förderansatz verfolgt werden wird, hängt allerdings auch von den Spielräumen kommender Haushalte ab. Im Zweifel kann der Gesetzgeber versuchen, teure Subventionen zu vermeiden und in der Umsetzung mehr auf Ordnungsrecht zu setzen.
Ordnungsrecht
Ebenfalls im 4. Teil sind in den branchenspezifischen Maßnahmebündeln auch die jeweiligen Vorschläge zur Weiterentwicklung des Ordnungsrechts enthalten. Hervorzuheben aus den in Teil 4. des Entwurfs niedergelegten branchenspezifischen Vorschlägen sind folgende Vorhaben grundsätzlicherer Art, die branchenübergreifend wirken oder besonders tiefgehend regelnd eingreifen:
- Ausweitung des Verursacherprinzips und der bestehenden Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung (Produktverantwortung) in §§ 23 ff. KrWG. Produkte sollen allgemein langlebig, reparierbar und recyclingfähig werden.
- Die Rechtssicherheit zum Abfallende soll gesteigert werden. Vorgesehen ist ein Ausbau der wissenschaftlichen Forschung, rechtlich zunächst eine Abfallende-Verordnung für den Bereich der mineralischen Ersatzbaustoffe.
- Das ElektroG soll novelliert werden mit dem Ziel, die Abgabe von Elektroaltgeräten im Handel zu erleichtern.
- Die GewAbfV soll zukünftig die behördliche Kontrolle der getrennten Sammlung von Siedlungsabfällen und Bau- sowie Abbruchabfällen verbessern.
- Hinsichtlich der für Herbst 2024 erwarteten EU-Verpackungsverordnung zur Reduktion von Kunststoffabfällen strebt die Bundesregierung eine schnelle Anwendung in Deutschland an.
To-dos für Unternehmen der Kreislaufwirtschaft
Noch ist der Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ein politisches Programm zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021, der in den kommenden Monaten erst vom Kabinett beschlossen werden muss. Parallele Überlegungen auf europäischer Ebene, das Kreislaufwirtschaftsrecht in den kommenden Jahren weiter zu vertiefen, zeigen aber, dass unabhängig von Regierungskoalitionen die schnelle Entwicklung einer Circular Economy an Bedeutung gewinnt.
Unternehmen bieten sich Anreize, früh ihre Geschäftsmodelle nachzujustieren, um Marktchance mitzunehmen und von Fördergeldern zu profitieren. Es zeichnet sich ab, dass auch die Regulatorik nachziehen und schärfer werden wird. Der Transformationsdruck ist also hoch und Stakeholder sollten die Entwicklungen genau verfolgen.
Wir werden die weitere Beschlusslage und Umsetzung beobachten und Sie auf dem Laufenden halten.
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