EuGH: Keine pauschale UVP-Pflicht bei Landschafts­schutzgebiets­ausweisungen

Rechtsanwältin
Dr. Cathrin Correll
correll@kopp-assenmacher.de

Am 17.10.2024 urteilte der EuGH in einem Vorlageverfahren des Niedersächsischen OVG, das sich mit der UVP-Pflicht bei der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten beschäftigte (Az. C 461/23). Die Entscheidung folgt im Wesentlichen Argumenten, die wir zuvor in einer Stellungnahme für das Land Niedersachsen in das Verfahren vor dem OVG eingebracht hatten und die zum im Oktober 2024 vom EuGH bestätigten Ergebnis kam: Landschaftsschutzgebietsausweisungen mit pauschalen Zulässigkeitsvorgaben für bestimmte Tätigkeiten im Gebiet sind regelmäßig nicht SUP-pflichtig.

Gegenstand des Verfahrens war die hier als exemplarisch anzusehende niedersächsische Landschaftsschutzgebietsausweisung „Bäche im Artland“. Durch sie werden im Zuge der Unterschutzstellung auch verschiedene – unter Umständen in ihren Auswirkungen für das Habitat belastende – Tätigkeiten pauschal als in dem Gebiet verboten bzw. erlaubt qualifiziert. Typischerweise betreffen solche Freistellungen etwa die – in diesem Gebiet ähnlich wie in vergleichbaren geschützten Gebieten – traditionell ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung, die Fischerei oder die Forstwirtschaft. 

Das OVG Lüneburg hat auf die Klage einer anerkannten Umweltvereinigung im Sinne des § 3 UmwRG darüber zu entscheiden, ob Landschaftsschutzgebietsausweisungen mit entsprechenden, unter anderem auch die kommerzielle Nutzung der Flächen betreffenden Freistellungen einer vorherigen UVP unterzogen werden müssen. Üblicherweise (und auch in dem hier streitgegenständlichen Ausweisungsverfahren) wurden bislang keine Umweltprüfungen während des Ausweisungsverfahrens und vor Verabschiedung der Verordnung durchgeführt. Für den Fall einer entsprechenden Verpflichtung dazu nach Maßgabe der RL-EU-2001/42 vom 27.07.2001 wäre die Teilnichtigkeit bzw. sogar eine vollständige Unwirksamkeit dieser und sämtlicher ähnlich aufgebauter nationaler Schutzgebietsverordnungen Folge der fehlenden UVP bei der Ausweisung gewesen.

Im Auftrag des zu den Rechtsfragen vor dem OVG angehörten Landes Niedersachsen hatten wir eine Stellungnahme verfasst und eingebracht, die zum Ergebnis kommt, dass die Landschaftsschutzgebietsausweisung „Bäche im Artland“ keiner vorherigen UVP bedurfte, da die in ihr enthaltenen pauschalen Freistellungen oder Verbote für bestimmte Handlungen – jedenfalls überwiegend - in Zusammenhang mit der Verwaltung des Landschaftsschutzgebiets stehen und auch keine planerischen Vorgaben für das Gebiet enthalten. 

Sofern und soweit pauschal freigestellte Tätigkeiten in einer Schutzgebietsverordnung einen unmittelbaren Bezug zur Verwaltung des geschützten FFH-Gebiets aufweisen oder dafür notwendig sind, ist eine FFH-Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL stets entbehrlich. Der Verwaltungsbezug der freigestellten Tätigkeit sei jeweils in Bezug zur Vorgabe aus Art. 6 Abs. 1 FFH-RL und den Erhaltungszielen des Gebiets zu sehen und dann im Einzelfall zu prüfen.

Das OVG Lüneburg entschied nach einer kontroversen mündlichen Verhandlung durch Beschluss vom 04.07.2023, das Verfahren zunächst auszusetzen und die entscheidungserheblichen Fragen zur SUP-Pflicht bei Landschaftsschutzgebietsausweisungen dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

Der EuGH hat sich nun in seinem Urteil vom 17.10.2024 im Wesentlichen der Argumentation angeschlossen, die wir zuvor gutachterlich für das Land Niedersachsen herausgearbeitet hatten: Ganz überwiegend – und auch im vorliegenden Fall – seien Landschaftsschutzgebietsverordnungen, in denen bestimmte menschliche Tätigkeiten pauschal verboten werden, nicht UVP-pflichtig.

Denn von einer entsprechenden Pflicht umfasst seien nur solche „Programme und Pläne“ im Sinne der SUP-RL, die nicht unmittelbar für die Verwaltung des Gebiets notwendig sein. Hierbei sei unter Berücksichtigung der schon vom EuGH entschiedenen Fälle wertend einzubeziehen, dass entsprechende Ausweisungen für Landschaftsschutzgebiete (und auch entsprechende andere Schutzgebiete) normalerweise den geforderten Verwaltungsbezug zum geschützten Gebiet aufweisen und deshalb bei ihrer Ausweisung keine UVP durchgeführt werden müsse. Dies gelte jedoch nicht pauschal, könne im Einzelfall auch anders sein und sei daher immer konkret zu prüfen. 

Nun ist das jetzt wieder in der Sache zuständige OVG Lüneburg aufgerufen, sich mit der Qualität des „Verwaltungsbezugs“ der in der streitgegenständlichen LandschaftsschutzgebietsVO „Bäche im Artland“ aufgeführten und pauschal freigestellten Handlungen zu befassen. 

Weiterführender Link

EuGH, Urteil vom 17.10.2024 – Az. C 461/23

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