Rechtsanwalt
Dr. Wolfgang Abromeit
abromeit@kopp-assenmacher.de
Keine Motorsäge für die Gesetze, aber: „Die Einführung des § 246e Baugesetzbuch ist die Brechstange, die wir brauchen.“ Mit dieser blumigen Metapher aus der Branche beschreibt die neue Bauministerin Hubertz in ihrer Rede im Bundestag am 15.05.2025 den „Bauturbo“. Inzwischen zirkuliert in einigen Redaktionen bereits der Entwurf des Ministeriums zur Abstimmung mit den anderen Ressorts.
Antrittserklärung: Bekenntnis zum Bauturbo
Die neue Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Verena Hubertz erneuert das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, den Gesetzentwurf für eine Modernisierung des Baurechts in den ersten 100 Tagen nach Regierungsbildung vorzulegen. Sie macht mit dieser Wortwahl sowohl in ihrer Regierungserklärung am 15.05.2025 im Bundestag als auch in weiteren öffentlichen Erklärungen deutlich, dass sie bereit ist, sich daran messen zu lassen.
Offene Frage der Entwicklung des Rechts der Bauleitplanung
Noch ist allerdings nicht vollständig klar, welche Teile des „Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung“ der Ampel von dem § 246e BauGB-E einmal abgesehen in dem neuen Gesetzesentwurf enthalten sein werden oder ggf. noch später umgesetzt werden. Neben der allgemein als „Bauturbo“ diskutierten materiell-rechtlichen Neuerung war in der Baunovelle des bereits 2023 geschlossenen Bund-Länder-Paktes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen auch eine neue Ordnung des Rechts der Bauleitplanung enthalten. Die Inhalte des geltenden § 1 BauGB waren darin neu formuliert und auf mehrere Paragraphen verteilt worden (grob vereinfacht: § 1 (E) Aufgabe der Bauleitplanung und Verbot der vertraglichen Verpflichtung zum Erlass eines Bebauungsplans – bisher § 1 Abs. 1 und 2 BauGB; § 1 a (E) Instrumente der Bauleitplanung, also Bauleitplan, Flächennutzungsplan und Innenbereichssatzung; § 1 b Grundsätze der Abwägung – bisher § 1 Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 7 BauGB, § 1 c Abwägungsmaterial – bisher § 1 Abs. 6 BauGB). Neben dieser neuen Sortierung enthielt die Neufassung des Rechts der Bauleitplanung auch eine stärkere Betonung des Klimaschutzes und der Klimaanpassung nach der sogenannten „Leipzig-Charta“ sowie eine explizite Betonung der „dreifachen Innenentwicklung“, die neben der baulichen Innenentwicklung auch die Entwicklung von Grün- und Freiflächen sowie der Mobilität umfasst. Die CDU hatte im Gesetzgebungsverfahren der Ampel noch eine Überbetonung des Klimaschutzes kritisiert. Hier ist es daher nicht ausgeschlossen, dass einige der in diesem Zusammenhang geplanten Änderungen der neuen Regierungsbildung zum Opfer fallen. Von diesen Überarbeitungen ist in den Meldungen zum aktuellen Entwurf jedenfalls nicht mehr die Rede. Fraglich sind außerdem die Regelungen zur Etablierung einer Nutzungsart „Musikclub“ in der BauNVO. Wohl erhalten bleiben die Neuerungen zur Digitalisierung und zur allgemeinen Verfahrensbeschleunigung.
Das bringt der Bauturbo
Zur Erinnerung: Diese Regelung erlaubt Abweichungen von den üblichen bauplanungsrechtlichen Vorschriften des BauGB sowie der BauNVO, sofern dies "im erforderlichen Umfang" notwendig ist. Die von § 246e BauGB-E betroffenen Vorhaben umfassen erwartungsgemäß weiterhin die Errichtung neuer Gebäude mit mindestens sechs Wohnungen sowie die Änderung oder Erweiterung bestehender Wohnbauten, wenn dadurch zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird. Ein wichtiger Bestandteil des Bauturbos ist, dass Abweichungen von den Bauvorschriften nach dem ehemaligen Entwurf nur in einem Umfang erlaubt sind, der die Interessen von Nachbarn und öffentlichen Belangen berücksichtigt. Die Bauaufsichtsbehörde muss prüfen, ob das Bauvorhaben für die Anwohner zumutbar ist und keine übermäßigen Eingriffe in Natur und Landschaft erfolgen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung bleibt erforderlich, insbesondere bei Vorhaben im Außenbereich. Zudem sieht der Entwurf von § 246e BauGB-E vor, dass die Zustimmung der Gemeinde erforderlich ist, um die kommunale Planungshoheit zu wahren. Damit soll sichergestellt werden, dass auch bei beschleunigten Verfahren die Interessen der lokalen Planung nicht völlig außer Acht gelassen werden. In der Fachwelt wird diese Änderung als Revolution des Baurechts bezeichnet und teilweise als Durchbruch gefeiert. Wie praxistauglich die Regelung ist, muss sich allerdings erst noch zeigen. Es ist zu erwarten, dass die Feinsteuerung dieses Instruments in Zusammenarbeit mit den Kommunen eigentlich nur mit städtebaulichen Verwaltungsverträgen effektiv zu bewerkstelligen ist. Bisher fehlt allerdings noch jede Erfahrung und Rechtsprechung zu solchen Verträgen, so dass für die ersten Entwicklungen von Projekten nach § 246e BauGB-E Pioniergeist, Expertise und auch ein bisschen Mut erforderlich sein wird.
Förderung des sozialen Wohnbaus
Als Bekenntnis zum sozialen Wohnen hat die Ministerin die Verlängerung der Mietpreisbremse angekündigt. Parallel will sie den sozialen Wohnungsbau als wichtige Säule für bezahlbares Wohnen mit einem Fördervolumen von 3,5 Mrd. Euro pro Jahr unterstützen.
Sonstige Neuerungen
Der Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ hatte außerdem die Weiterentwicklung von TA-Lärm und TA-Luft angekündigt, um Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft zu lösen. Das Verhältnis der TA Lärm zur Bauleitplanung soll nun durch die Einführung eines neuen § 1a Absatz 6 BauGB klargestellt werden. Ferner sollen die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 Absatz 1 Nummer 23 Buchstabe a BauGB um Immissionswerte und Emissionsmengen erweitert werden. Hierdurch erwartet die Ministerin die Erhöhung der Rechtssicherheit entsprechender Festsetzungen und die Stärkung der Möglichkeiten der planerischen Lärmkonfliktbewältigung. Daneben hat Koalition aus CDU/CSU und SPD die Vereinfachung von Baustandards sowie eine Stärkung des Gebäudetyps E versprochen. Dies steht noch in der Tradition des Gesetzesentwurfs der Vorgängerregierung. Aber auch der Milieuschutz soll gelockert werden: In Milieuschutzgebieten werden Vorhaben zur Herstellung von Barrierearmut und energetischer Sanierung ermöglicht. Selbstnutzende Eigentümer dürfen sich darauf freuen, bald von den Regelungen des Milieuschutzes ausgenommen zu sein und die Wohnungen, in denen sie selbst wohnen, auch nach ihrem Vorstellungen gestalten zu dürfen.
Wir warten gespannt auf den zwischen den Ressorts abgestimmtenGesetzesentwurf, der nun noch vor der Sommerpause in das Parlament eingebracht werden soll!