Die Novellierung der Gefahrstoff­verordnung: Entwurfs­fassung mit Neuregelungen zum Umgang mit Asbest

Rechtsanwalt
Dr. Wolfgang Abromeit
abromeit@kopp-assenmacher.de

Nach jahrelangem Gesetzgebungsprozess hat das Kabinett die novellierte Gefahrstoffverordnung beschlossen. Der Entwurf liegt jetzt beim Bundesrat. Zentraler Gegenstand der Neuregelungen sind die Vorschriften zu Asbest. Nicht zuletzt aus der Perspektive der Abfallwirtschaft hatte man erwartet, dass Verfahren zur Trennung von kleinen Anteilen asbesthaltiger Materialien aus großen, ansonsten unbelasteten Abfallmengen rechtssicher geregelt werden. Der Beitrag stellt die Neuerungen im Überblick dar und prüft, ob der aktuelle Entwurfsstand die Erwartungen erfüllt.

Zweijähriger Gesetzgebungsprozess steuert auf Ergebnis zu

Am 21.08.2024 wurde nach mehr als zweijährigem Gesetzgebungsprozess eine Entwurfsfassung der Gefahrstoffverordnung (E-GefStoffV)durch das Kabinett beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus.

Insgesamt lässt sich in Bezug auf Asbest festhalten, dass die weitreichendsten Änderungen redaktioneller Natur sind. Die Regelungen zu Asbest werden aus den Anhängen in den Verordnungstext übernommen. So werden in § 11 E-GefStoffV die Verwendungs- und Tätigkeitsbeschränkungen für Asbest sowie Ausnahmen von den Beschränkungen aus Anhang II Nummer 1 der bisherigen Gefahrstoffverordnung in den Regelungstext eingefügt und systematisch neu strukturiert. § 11a E-GefStoffV hingegen überführt die wesentlichen Anforderungen an Tätigkeiten mit Asbest aus Anhang I Nummer 2.4 der bisherigen Verordnung in den Regelungsteil und passt diese an das risikobasierte Maßnahmenkonzept an. Außerdem wurden bereits aufgrund der REACH-Verordnung geltende Pflichten nun auch im deutschen Recht konkretisiert sowie in der Asbestrichtlinie vorgesehene Pflichten eingeführt. 

Inhaltlich geht die Novellierung trotz dieser Neuerungen und des jahrelangem Gesetzgebungsprozesses mit 4 Referentenentwürfen und über 30 Stellungnahmen die bekannten Probleme in der Asbestbehandlung eher zaghaft an. In § 2 Abs. 4 a) – c) E-GefStoffV wird Asbest über die genauen Stoffgruppen definiert und außerdem das emissionsarme Verfahren als behördlich oder von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung geprüftes und anerkanntes Arbeitsverfahren bestimmt. § 5a E-GefStoffV führt besondere Mitwirkungs- und Informationspflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen Anlagen ein, aus denen sich ergibt, dass der Bauherr alle ihm vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe zur Verfügung stellen und das Datum des Baubeginns des Objekts mitteilen muss (vor bzw. nach 1993). Der Arbeitgeber muss außerdem künftig darauf achten, dass die für Arbeiten mit Asbest verantwortlichen Personen gem. § 11 Abs. 5 E-GefStoffV über explizite Asbest-Fach- bzw. Sachkundenachweise verfügen.

Zurückhaltende Neuregelung der Asbesterkundung

Aus der Perspektive der Baubranche wird vor allem kritisiert, dass diese Regelung nicht weiter geht. Eine zuerst angedachte Gefahrerforschungspflicht des Bauherrn wurde zu einer Pflicht, die vorhandenen Informationen bereitzustellen, „entschärft“. Dies liegt wohl an der Befürchtung, dass ansonsten die dringend notwendigen energetischen Sanierungen aufgrund von unkontrolliert steigenden Kosten ausbleiben würden. Hier lautet der Vorwurf, die Gesundheit der Arbeitnehmer werde dem Klimaschutz geopfert. Allerdings ist dem aktuellen Entwurf zugute zu halten, dass durch die Pflicht, die vorhandenen Informationen bereitzustellen, die aktuelle Situation zumindest verbessert wurde.

Vorsichtige Öffnung für die Abfallwirtschaft zu Asbesttrennung aus Bauschutt

Aus dem Blickwinkel der Abfallwirtschaft ist festzustellen, dass grundlegende Neuerungsüberlegungen nicht aufgegriffen wurden. 37 Mio Tonnen Asbest sind nach aktuellen Schätzungen in Deutschland noch verbaut. Bei einem Asbest-Anteil in den Baustoffen von 15 – 50 % ergeben sich weit über 100 Mio Tonnen asbestbelasteter Baustoffe. Dieser Befund trifft auf eine Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass zerkleinerte bisher unerkannte geringe Anteile asbestbelasteter Baustoffe in ansonsten schadstofffreien Bodenmengen ausreichen, um die gesamten Abfallmengen als gefährliche Abfälle einzustufen (OVG Münster, Beschl. v. 18.04.2024 – 20 A 726/20; vorhergehend: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.01.2020 - 9 K 5432/16; VG Cottbus, Urt. v. 17.06.2021 – VG 3 K 368/16). Sobald also selbst geringste Mengen asbesthaltiger Bestandteile in bodenartigem Abfall identifiziert werden, ist nach dieser Rechtsprechung unabhängig von dem Asbestanteil in der Gesamtmenge der Boden insgesamt als gefährlicher Abfall zu entsorgen. Dies gilt unter Umständen selbst dann, wenn die Materialien inzwischen als Recyclingmaterial klassifiziert und weiterverarbeitet wurden.

Weil die Ausmaße der von Asbest ausgehenden Gefahr erst in den letzten Jahren erkannt wurden und damit verbesserte Analysemethoden und ein geschärftes Bewusstsein bei den Behörden einhergeht, stehen viele Unternehmen derzeit vor bösen Überraschungen. Dies betrifft auch aktuelle Rückbauvorhaben. Aufgrund des Bewusstseinswandels ergibt sich aber vermehrt die Situation, dass Asbestbruchstücke in wieder für Bauwerke genutzten Böden und alten Haufwerken, die seit vielen Jahren für schadstofffrei gehalten wurden, gefunden werden.

Abgesehen von möglicherweise ruinösen drohenden Entsorgungsanordnungen ist sogar abzusehen, dass bei konsequentem Vollzug dieser Regelung die Deponiekapazitäten in Deutschland nicht ausreichend wären, um all diese teilweise sehr gering asbestbelasteten Böden aufzunehmen.

Obwohl dieses Problem in den Ministerien bekannt ist, reagiert die novellierte Gefahrstoffverordnung auch auf diese Problematik nur sehr zurückhaltend. Sie führt zwar explizit eine Ausnahme für Forschung und Entwicklung, sowie für Analyse-, Mess- und Prüfzwecke ein (§ 11 Abs. 2 Nr. 5 E-GefStoffV). Dies ist aber nur einer der notwendigen Schritte, um eine Trennung asbesthaltiger Materialien (zum Beispiel asbesthaltige Abstandshalter) von mineralischen Bauabfällen zu erreichen und so die asbesthaltigen (gefährlichen) Abfallmengen zu minimieren

Dieses Ergebnis ist enttäuschend, hatte die UMK doch bereits 2021, also vor Beginn des Novellierungsvorhabens den hohen Bedarf für die Weiterentwicklung von Verfahren zur Separierung und Entfrachtung von asbesthaltigen Baustoffen erkannt und den Bund gebeten, entsprechende Vorhaben zu fördern und zu begleiten. 

Es fehlt nun weiterhin eine Regelung, die gefahrfreie Verfahren zur Trennung geringer asbesthaltiger Anteile von den schadstofffreien Abfällen explizit und rechtssicher ermöglicht. Dabei wurden Verfahren in dieser Hinsicht entwickelt und erprobt. Insofern wird es weiterhin darauf ankommen, den Spielraum, den schon die aktuelle Gefahrstoffverordnung für die Separation von geringen Asbestanteilen aus ansonsten unbelasteten Böden bietet, zu nutzen. Dafür bietet die aktuelle Rechtsordnung nämlich auch schon Spielräume. Es wäre vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung jedoch mehr Rechtssicherheit im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Trennung der Materialien und den Nachweis der Asbestfreiheit wünschenswert gewesen.